Wer weit denkt, kauft nah!

Wie ein Musikalienhändler meinen ersten großen Auftritt rettete.

Ich war 16 Jahre alt und stand vor meinem ersten großen "open air" Auftritt als Schlagzeuger in meiner Heimatstadt.

Es war eine kleine Veranstaltung und wir waren die einzige Musikgruppe.
Wir waren pünktlich zum Aufbau da und beim Soundcheck passierte es.
PENG! Ein Schlag auf die Snare-Drum und das Fell war gerissen.
Was nun?
Samstag kurz vor 14 Uhr (damals schlossen die Geschäfte Samstags um 14 Uhr),
In 500 m Entfernung gab es ein Musikgeschäft bei dem ich kein Kunde war.
Trotzdem, Füße in die Hand und ab, hin.

Der Eigentümer wollte gerade sein Geschäft schließen als ich angeflogen kam.
"Ich brauche ein 14" Schlagfell für eine Snare, rau. Marke egal. Ich hab in 10 Minuten Auftritt."

Der Mann schaute mich an, sagte: "Bin gleich wieder da", verschloss die Tür und verschwand.
Ein paar Minuten später kam er mit einem passe
nden Fell zurück, öffnete die Tür und drückte es mir in die Hand.
"Gib Gas, dein Auftritt beginnt doch gleich."
"Was muss ich bezahlen?" fragte ich ihn.
"Das machen wir am Montag, schau dass Du deinen Auftritt hinkriegst und viel Spaß!"
"Aber Sie kennen mich doch gar nicht!"
"Junge" sagte er, "Du hast Dir Deine Nase schon so oft an meiner Schaufensterscheibe plattgedrückt,
glaub mir ich kenne Dich schon lange. Bis Montag dann!"
Ich war rechtzeitig zurück um meine Snare zu reparieren und den Auftritt pünktlich zu beginnen.
Wer weit denkt, kauft nah!
So wurde der Inhaber eines alteingesessenen Musikgeschäftes zum Retter meines ersten großen Auftritts.
Ich habe noch viel bei Ihm gekauft und mir noch oft die Nase am Schaufenster plattgedrückt.
Und vor Allem: Ich habe es bis heute nicht vergessen.

Worauf will ich hinaus? Der Internethandel macht den Musikalienhandel als Einzelhandelsgeschäft platt.

Der Musikalienhandel lebt vom Verkauf von Musikinstrumenten.
Der Verkauf von Ersatzteilen wie Gitarrensaiten, Ple
ktren und Trommelfellen ist Beiwerk und reicht nicht
zum Erhalt des Geschäftes.
Die Vorratshaltung der Ware kostet Lagerraum und die Margen die man an einem Instrument verdient
sind viel kleiner als man als Kunde denkt. Da ist es oft schwer die monatliche Miete für das Ladengeschäft zu erwirtschaften.

Im Jahr 2006 hatten wir in Deutschland ca. 2300 Musikgeschäfte. Im Jahr 2015 noch 1809 Geschäfte.
47% des Umsatzes werden von den 8 großen Musikalienhändlern in Deutschland abgedeckt.
Die restlichen 53% verteilen sich deutschlandweit über 1801 Geschäfte.
(Quelle: Musical merchant, Ausgabe 01/18, Seite 33).

Wenn das Sterben von Musikgeschäften so weitergeht, gibt es kein Musikgeschäft mehr in der Nähe das den
ersten großen Auftritt rettet. Dann heißt es 2 Tage
warten bis das Ersatzfell mit der Post kommt.

Es liegt maßgeblich am Kunden ob ein Musikgeschäft überleben kann oder nicht.
Man kann die fachkundige Beratung wertschätzen
und diese Beratung über das passende Instrument bezahlen
oder man geht zum Boxenschieber (Geschäfte die ein Instrument in der Ausstellung haben und
ein anderes Instrument aus dem Lager liefern) und spart sich die Beratung.
Ganz übel ist es wenn man die Beratung im Fachhandel in Anspruch nimmt und dann beim Boxenschieber kauft.

Aber
!

Eine Gitarre besteht zum großen Teil aus Holz - und Holz lebt.
Wer denkt, dass man in der Gitarrenfabrik auf der einen Seite der Maschine einen Baumstamm hineinsteckt und auf der
anderen Seite kommen identische Instrumente heraus, der irrt.
Jede Gitarre ist einzigartig. Auch vermeintlich identische Gitarren einer Serie unterschieden sich; nicht nur marginal.
Vor dem Kauf muss man das Instrument in die Hand nehmen um zu erfahren ob es einem liegt.
Das geht über den Versandhandel nur mit endlosen Retouren oder man ist mit dem zufrieden was einem geliefert wird.
Wenn man Glück hat ist das Instrument sauber eingestellt und direkt spielbar. Wenn man Pech hat ...

Meines Erachtens sind das Gründe genug um im lokalen Musikgeschäft zu kaufen.

Internetkäufer, bewirken den Untergang des lokalen Einzelhandels.
Wer "Vorort" kauft hält seine Quellen am Leben.

Wer weit denkt, kauft nah!

In diesem Sinne: Vorbeikommen - ausprobieren - begeistert sein - bezahlen und mitnehmen!

Martin Winkler, MarWin studiosystems